Die Kommunikationsspezialistin Maja Peter musste sich in der Pandemie beruflich neu orientieren und unterrichtet seither Allgemeinbildenden Unterricht an Berufsschulen. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen als ABU-Lehrerin, ihr Praktikum an der EB Zürich und kritisiert die mangelnden Deutschkenntnisse von Lernenden.
Wie kam es dazu, dass du ABU unterrichtest?
Mit ein Grund ist das SVEB-Zertifikat, das ich vor neun Jahren an der EB Zürich erworben hatte. Mit diesem Rüstzeug – sehr praxisbezogen und wenig Theorie – fing ich an, Kommunikationsfachleute, Künstlerinnen und Designer in Kommunikation zu unterrichten. Das hat mir grosse Freude gemacht.
Zu Beginn der Pandemie wurde mir gekündigt und ich musste mich neu ausrichten. Eine Beraterin im biz wies mich auf den allgemeinbildenden Unterricht hin. Wegen meiner journalistischen Laufbahn vor 30 Jahren dachte ich, dass das zu mir passen könnte. Ich schaute mir den Rahmenlehrplan an und entschied mich anschliessend, eine Stelle als ABU-Lehrerin zu suchen. Ein paar Tage danach bewarb ich mich an der Baugewerblichen Berufsschule in Zürich (BBZ) und voilà: Nach einem Online-Vorstellungsgespräch fing ich drei Wochen später an zu unterrichten.
Stösst ABU bei deinen Lernenden auf Interesse?
Ich unterrichte Klassen für Sanitärinstallateure, Bodenleger und Sanitärplaner – hauptsächlich junge Männer. Grundsätzlich ist ABU nicht ihr Lieblingsfach, doch anhand konkreter Beispiele aus ihrer Lebenswirklichkeit – Arbeitsgesetze, Inflation oder Zölle – versuche ich, sie für das Fach zu interessieren. Das gelingt mir auch immer wieder und die Reaktionen einzelner Lernender sind für mich sehr motivierend.
Eine Herausforderung in meinem Unterricht ist die grosse Diversität: Es hat viele Lernende mit Migrationshintergrund, die nur wenig Deutsch sprechen und deshalb nicht mitkommen im Unterricht. Bei manchen gelingt es, sie gemeinsam mit dem Lehrmeister zu motivieren, an der BBZ den Deutschkurs zu besuchen.
Quote
«Eine Challenge ist die grosse Diversität mit vielen Lernenden mit Migrationshintergrund.»
Dein Praktikum machst du an der EB Zürich, warum?
Ich wollte einen anderen Schulalltag kennenlernen. Meine Lernenden der BBZ sind 16, 17 Jahre alt, also in einem nicht gerade einfachen Alter. Da muss ich auch Erziehungsarbeit leisten. Im aktuellen ABU-Kurs an der EB Zürich hingegen sind nur Frauen; sie haben diese Ausbildung bewusst gewählt und sind daher sehr motiviert. Mit ihren Lebenserfahrungen können sie selbst Bezüge zu den ABU-Themen herstellen, wie zum Beispiel bei der Gleichstellung: Welche Rechte, welche Pflichten habe ich als Frau in der Schweiz? Wie sieht es bei der Erziehung der Kinder aus, wenn jemand getrennt vom Vater seines Kindes lebt … solche Sachen.

Du hast im Kurs auch unterrichtet; was nimmst du für deine eigene Unterrichtstätigkeit mit?
Ich habe den Frauen u.a. Auftrittskompetenz vermittelt. Sie lernten, laut zu reden und selbstbewusst vor den anderen im Kurs hinzustehen. Es war grossartig zu sehen, wie sie motiviert etwas lernten, was sie vorher so nicht konnten. Die erzielten Fortschritte zeigten sich später bei der Präsentation der Vertiefungsarbeiten.
Von meinem Betreuer, Florian Schmid, habe ich viel gelernt: Er räumt den Fragen der Kursteilnehmerinnen genügend Platz ein und passt seinen Stoffplan immer wieder an. Genau das gehört zum Handwerkszeug von Lehrpersonen: die Klasse abholen und auf ihre Interessen eingehen, neue Schwerpunkte setzen. Florian ist sehr engagiert und ermöglicht als Lehrer, dass die Klasse einen vertrauensvollen Zusammenhalt entwickelt. Fürs Lernen ist das ideal.
Quote
«Es war grossartig zu sehen, wie sie motiviert etwas lernten, was sie vorher so nicht konnten.»
Lese- und Schreibkompetenzen von Schülerinnen und Schüler sind dir wichtig; welches waren deine Beweggründe, darüber einen Artikel zu schreiben? Welche Reaktionen hast du erhalten?
Auf meinen Artikel habe ich ein extremes Echo erhalten – auch von vielen Lehrmeistern und Arbeitgeberinnen. Einer der Auslöser für den Artikel war eine Studie der OECD, die die abnehmende Lese- und Schreibkompetenz der Schweizer Bevölkerung konstatierte. Aber auch meine Beobachtungen als Lehrerin an einer Berufsschule kamen darin zum Ausdruck. Meiner Meinung nach versagt die Schule, Jugendlichen das Handwerk – Lesen und Schreiben – zu vermitteln, das sie im Berufsleben und im Alltag benötigen.
Deswegen lege ich grossen Wert auf die Sprache: Ich vermittle den Lernenden, was verlässliche Quellen sind, wie sie mit Quellenangaben arbeiten und daraus richtig zitieren. Sie müssen mündlich und schriftlich argumentieren können. Künstliche Intelligenz lasse ich deswegen nur in Ausnahmefällen zu. KI spuckt etwas aus, oft ist es noch dazu falsch. Aber Schreiben heisst für mich denken!
________________________
Maja Peter ist Schriftstellerin und arbeitete früher im Kultur- und Kommunikationsbereich. Seit vier Jahren unterrichtet sie allgemeinbildenden Unterricht (ABU) und studiert nebenberuflich «Lehrer/-in für allgemeinbildenden Unterricht (ABU) an Berufsfachschulen» an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH). Das dazugehörige Praktikum absolvierte sie vom Januar bis Mai an der EB Zürich.