Das Projekt «Multiverse – der vierte Lernort» wurde 2021 zur Förderung durch den Innovationsfonds ausgewählt. Ein weiterer Meilenstein ist nun erreicht: In Zusammenarbeit mit der EB Zürich hat das Projekt eigene Infrastruktur erhalten.
Die Idee von «Multiverse» ist, dass Lernende von ihren drei Lernorten digitale Kopien erstellen um diese für Bildungszwecke zu nutzen. Das Projekt soll in Partnerschaft mit verschiedenen Berufsschulen sowie Lehrbetrieben entstehen und so die Lernorte miteinander verbinden. Im vergangenen Jahr wurden durch den Innovationsfonds des Digital Learning Hubs Entlastungslektionen gesprochen, Anfang September 2022 begann ein kleines Team (Roy Franke, Christian Flury, Christian Hirt, Xavier Molina, Erich Rebstein, Alexander Wilhelm und Roland Menzi) mit Recherche und Planung. Im Dezember 2022 ging es über in die Umsetzungsphase: Im dritten Stock der EB Zürich konnte ein Raum entsprechend eingerichtet werden. Teamleiter Christian Hirt beantwortet dazu einige Fragen.
Wie wurde der Raum konkret ausgestattet?
Es gibt fünf Bereiche à rund 2x2 Meter pro Bildungstandem. Jeder Bereich verfügt über ein VR-Headset und einen Bildschirm, der zeigt, was der User durch die Brille sieht. Während eine Person das Headset trägt, beobachtet die ander oder unterstützt am Smartphone – denn damit lässt sich das Headset steuern und Fotos und Videos aufnehmen. So können gleichzeitig 10 Personen erste Schritte in der virtuellen Realität machen. Und wenn bei jemanden Motion Sickness (ähnlich der Reiseübelkeit) käme, wovon einige Menschen zu Beginn betroffen sind, wird gewechselt.
Wofür wird dieser Raum nun genutzt?
Der Raum ist erst die Startrampe, wo wir beim On-Boarding mit Hands-On-Workshops unterstützen, damit man in die Technologie reinkommt. Die Idee ist, dass sich später alles in einer virtuellen Umgebung abspielt. Interessierte können sich also danach selber von zuhause oder vom Arbeitsplatz einschalten, und sei es nur via Browser oder mit einer Kartonbrille und dem Smartphone.
Wie läuft so ein Hands-On-Workshop ab?
Beim zweiten Workshop habe ich zum Beispiel einen Motorraum eines Elektroautos gezeigt, den ich zuvor mit dem Tablet gescannt habe. Und dazu konnte ich fragen: Wo ist die 24V-Verkabelung, wo ist diejenige mit 400V? So konnte man vom Fussraum her die Teile ganz gross anschauen – und danach wieder zusammenschieben und beiseitestellen. Die Teilnehmenden waren ziemlich überrascht und begeistert. Dabei ist das mittlerweile ganz einfach – man fährt effektiv nur mit der Kamera überall durch und scannt das Objekt so von allen Seiten. Ich sage jeweils: Es geht nicht darum, die reale Welt nachzubilden – es geht darum, den Veranschaulichungsprozess zu optimieren. Ich kann ein Objekt beschreiben, fotografieren oder von allen Seiten filmen: Jedes Mal bekommt man einen noch präziseren Eindruck. Dort sehe ich einen der grössten Vorteile des Projekts.
Wie soll diese Technologie schlussendlich in der Bildung genutzt werden?
Wir haben den Fokus auf Consumer-Produkte gelegt, sodass Lernende mit ihrem Smartphone arbeiten können. Mit Software wie HubsMozilla oder Spatial.io können sie sich auf einfache Weise eine eigene Ausstellungsumgebung eirichten. Ein angehender Schreiner kann in der virtuellen Umgebung mehrere Zimmer anlegen und in jedem Zimmer verschiedene Arbeiten ausstellen, zum Beispiel ein Zimmer mit Arbeiten aus dem üK.

Man kann auch eine Maschine scannen und virtuell beschriften, was man wie beachten muss. Dieses Objekt kann man dann zusammen mit der Ausbilderin, der Lehrperson oder der OdA von allen Seiten anschauen und besprechen. Das Anschauen ist auch online via Browser möglich, in der virtuellen Realität ist einfach das Handling intuitiver und ordentlicher. Ein Bestandteil des Multiverse-Projekts ist auch die Zusammenarbeit mit der ABZ. Sie entwickelt eine Gastro-Lerneinheit, wo Lernende üben können, wie man Waren entgegennimmt und kontrolliert. Dieses 3D Lernszenario entwickeln sie zusammen mit dem Parkhotel Vitznau und der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung.
Gibt es Ausbildungen, die ihr speziell im Fokus habt?
Jede Berufslehre beinhaltet Aspekte, die mittels VR noch besser vermittelt werden könnten. Bei FaGe könnten das Simulationen sein, also zum Beispiel ein schmerzklagender Patient, und die Lernenden reagieren darauf in einem geschützten Rahmen. Bei der KV-Lehre könnte es ein Beratungsgespräch bei einer Bank zum Thema Hypothek sein. Gerade im kommunikativen Bereich liegt ein unterschätztes Potential. Aber auch im kreativen Bereich vereinfachen die neuen Technologien einiges: Die Polydesignerin kann ihre Idee von allen Seiten anschauen und die Einzelteile planen, der Gärtner kann seinem Kunden mittels AR genau zeigen, wie der Baum an diesem Ort in zwei, fünf, zehn Jahren aussehen wird und wohin er dann seinen Schatten wirft.
Was sind eure weiteren Pläne?
Ein Element, das wir weiterverfolgen möchten, ist der Aufbau eines MakerSpace. Wir würden die Infrastruktur anbieten, mit Displays, iPads und den Lernsettings – denn es hat keinen Sinn, wenn jeder Lehrbetrieb und jede Schule sich diese Spezialinfrastruktur anschafft. Dann könnte also jemand kommen, der gerne eine eigene Idee umsetzen will oder einen Einstieg von 0 wünscht. Und uns kann man dafür buchen. Momentan sind wir aber am prüfen, ob und wie das technisch und didaktisch umsetzbar ist.
Der nächste Hands-on-Workshop findet am Mittwoch, 8. März und Donnerstag, 9. März 2023 (17.30 bis 20.30 Uhr) in der EB Zürich statt und vermittelt die wichtigsten Erkenntnisse aus unserem Projekt. Es steht die ganze VR-Infrastruktur zur Verfügung und es bieten sich viele Gelegenheiten, dieses digitale Handwerk 1:1 zu erleben.