Beim Morgen-Gipfel von EB Connect tauschen sich Berufsbildungsfachleute über aktuelle Themen aus. Dieses Mal stand die Ausbildung von Lernenden mit Autismus und ADHS im Fokus.
Wie sehr das Thema «Neurodiversität im Lehrbetrieb» bewegt, zeigten die zahlreich erschienenen Vertreterinnen und Vertreter von Lehrbetrieben und Organisationen der Arbeitswelt. Ursina Morell, Sozialpädagogin und Autismus-Coach, sowie Marc Dutler, Geschäftsleiter der Deutschschweiz bei der Stiftung Rafisa Informatik GmbH, bereicherten die Runde mit ihrer breiten Erfahrung in der beruflichen Integration. Sie begleiten Jugendliche und junge Erwachsene im Autismus-Spektrum im Auftrag der IV auf ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt.
Chancen und Herausforderungen im Arbeitsalltag
In ihrem Impulsreferat erklärte Expertin Morell, wie neurodivergente Menschen anders wahrnehmen, anders denken und anders fühlen als neurotypische. Sie zeigte auf, welche Herausforderungen dadurch im Arbeitsalltag entstehen und wie schon kleine Anpassungen grosse Benefits bringen. So falle es Autismus-Betroffenen beispielsweise oft schwer, mehrere Aufgaben parallel zu erledigen oder implizite Anweisungen wie «die Türe ist noch offen» zu verstehen. Sie benötigen klare Strukturen und Anweisungen. Gleichzeitig haben sie die Fähigkeit zu einem Hyperfokus auf ihrem Interessengebiet und können aussergewöhnliche Resultate liefern. «Wichtig ist, hinter jeder Herausforderung die dazugehörige Stärke zu erkennen und mit den Aufgaben zu matchen.»
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«Von einer klaren Kommunikation und festen Strukturen profitiert ein ganzes Team. Zudem verpflichten sich Betroffene oft für viele Jahre, wenn sie sich an einem Ort sicher und unterstützt fühlen.»
Erfahrungsaustausch – Transparenz ist wichtig
Die anschliessende Diskussion zeigte: Viele Betriebe haben bereits Erfahrung mit neurodivergenten Lernenden oder sind bereit, auf deren besondere Bedürfnisse einzugehen. Transparenz sei dabei essenziell, waren sich die Berufsbildungsfachleute einig. «Als Berufsbildner kann ich meine Aufgabe nur erfüllen, wenn ich über eine Diagnose informiert bin», so ein Teilnehmer. Doch viele Betroffene verschweigen ihre Diagnose aus Angst vor Benachteiligung. Um dem entgegenzuwirken, signalisiert ein anwesender Lehrbetrieb seine Offenheit schon im Bewerbungsprozess. Ein anderer Betrieb klärt besondere Bedürfnisse bewusst erst nach der Vertragsunterzeichnung.
Unterstützungsangebote nutzen
Um Stolpersteine zu vermeiden, rieten die Experten von Rafisa frühzeitig Fachstellen einzubinden und passende Hilfsmittel einzusetzen – zum Beispiel die Begleitung durch Job-Coaches oder den ICH-Flyer von autismus schweiz. Ob alle Berufe für neurodivergente Menschen geeignet sind, blieb offen und darüber hätten die Teilnehmenden noch lange diskutieren können. Der Morgen-Gipfel zeigte jedoch deutlich: Mit Offenheit, Verständnis und gezielter Unterstützung gelingt die berufliche Integration neurodivergenter Jugendlicher und bereichert das ganze Arbeitsumfeld.
Wer sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen möchte, findet unter den folgenden Links weiterführende Informationen und Angebote:
Teilnehmerstimmen
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«Wir haben bereits mehrere Lernende mit den Diagnosen ADHS und Asperger ausgebildet und sie als grosse Bereicherung für unseren Betrieb empfunden. Alle Lernenden schlossen die Lehre erfolgreich ab, einmal mit verlängerter Ausbildungszeit. Lediglich in einem Fall wurde der Lehrvertrag im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst.»
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«Das Thema Neurodiversität beschäftigt mich schon lange. Der heutige Austausch war dennoch sehr wertvoll: zu erfahren, wie andere Betriebe damit umgehen und um neue Ideen mitzunehmen.»
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«Es hat mich positiv überrascht, wie engagiert sich viele Lehrbetriebe für die Ausbildung von neurodivergenten Jugendlichen einsetzen – trotz der knappen Ressourcen in der Berufsbildung.»
Impressionen
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