Geschichten aus dem Jahresbericht 2022
In den Kursen bei «START! 4U» arbeiten auch Personen, die selbst Migration erfahren haben. Inwiefern hilft ihnen die eigene Lebensgeschichte im Umgang mit ukrainischen Jugendlichen? Was hat sie dazu bewogen, zu unterrichten und mitzuhelfen, die geflüchteten jungen Menschen bei ihrer Integration zu unterstützen?
Albana und Alban Selimi
Die beiden kamen vor elf Jahren zusammen mit ihrer Mutter und ihrem älteren Bruder vom Kosovo in die Schweiz. Ihre ersten Erfahrungen mit der Schule hierzulande waren total anders als in ihrer alten Heimat: Dort trugen Lehrpersonen eine Art Uniform, ihr Ton war ernst, fast militärisch, und die Schüler/innen mussten aufstehen, wenn sie das Klassenzimmer betraten.
In der Schweiz war der Ton angenehmer, wohlwollender. So hiessen Albans neue Mitschüler/innen ihn vor Schulbeginn mit einer Karte willkommen. Da er kein Deutsch konnte, war er sehr nervös und wollte wieder nach Hause – obwohl ihn seine Lehrerin nicht in Uniform, sondern in Jeans empfangen hatte. Für Albana war es nicht weniger schwierig: Mit 15 steckte sie mitten in der Pubertät, konnte zwar gut Englisch, fühlte sich aber mit Deutsch total überfordert.
Wenn sie heute selber vor einer Klasse stehen, erinnern sich die Geschwister oft an ihre eigene Geschichte. Wie sie selbst müssen die ukrainischen Jugendlichen in einer völlig neuen Situation in einem fremden Land klarkommen. Weil sie diese Erfahrung geprägt hat, wollten sie in irgendeiner Form helfen – mit Unterrichten! Dabei sind sie sicher, dass ihr eigener Fluchthintergrund die Jugendlichen motiviert und ihnen zeigt, dass auch sie es schaffen können.
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«In der Schweiz war für uns alles wirklich neu.»
Valentina Herzog
Als gebürtige Russin fühlt Valentina Herzog eine moralische Verpflichtung, den Ukrainern als Opfern der Aggression Hilfe zu leisten. Und sie will helfen mit etwas, was sie gut kann: unterrichten. Ihr Ziel ist es, jungen Menschen Perspektiven zu bieten für die Zeit nach dem Krieg.
Über eine Hotline erfuhr Valentina vom Kursangebot für ukrainische Jugendliche an der EB Zürich. Seit April 2022 unterrichtet sie Mathematik und Informatik im Programm «START! 4U». Die Jugendlichen bauen im Unterricht auch Modellroboter, erlernen so die Basis des Programmierens und erleben physikalische Gesetze. Weil alles spielerisch ist, bereitet es ihnen viel Spass. Ganz nebenbei lernen sie, Deutsch zu sprechen – für sie die grösste Herausforderung. Manchmal nutzt Valentina ihre Russisch Kenntnisse, um Brücken zu bauen.
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«Ich finde es wichtig, dass Geflüchtete (…), eine Perspektive auf ein selbstständiges Leben haben.»
Khrystyna Zaborska
Als Sopranistin war sie zusammen mit ihrem Mann schon in vielen europäischen Ländern beruflich tätig. Dass sie kurz nach Beginn des Krieges – ein schlechter Traum, wie sie sagt – ihre ukrainische Heimatstadt Lwiw verlassen und wieder zurück nach Zürich kommen würde, hätte sie sich bei ihrem Aufenthalt in der Limmatstadt 2016 nicht gedacht. Aus jener Zeit an der Oper Zürich konnten Khrystyna und ihr Ehemann auf ein Netzwerk von Freunden zurückgreifen, das ihnen in der jetzigen Situation half.
Einer von ihnen, ein Übersetzer, erzählte ihr von einem Programm für ukrainische Jugendliche an der EB Zürich. Khrystyna wollte unbedingt helfen und meldete sich als freiwillige Dolmetscherin. Als sie das erste Mal den Kurs «START! 4U» begleitete, war sie selbst froh, wieder ihre Muttersprache zu sprechen. Seither sorgt sie mit ihren Ukrainisch-und Englischkenntnissen dafür, dass sich die Lehrerin und die Teilnehmenden besser miteinander verständigen können, und erklärt deren Eltern, wie die Schweiz funktioniert.
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«The students tell me, 'we love you, your work is great.'»
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Die vollständige Online-Ausgabe finden Sie unter https://www.eb-zuerich.ch/jahresbericht-2022. Eine gedruckte Ausgabe können Sie kostenlos unter lernen@eb-zuerich.ch bestellen.